Sie wollen hindernisfreie Strassen

Die «Schikanen» für Autofahrende beseitigen und gemäss der Devise «weniger ist mehr» auf die Ausgabenbremse drücken: Das sind die beiden Hauptthemen im Wahlkampf der SVP.

Parteienportrait im Bieler Tagblatt vom 08.09.2020 – Text: Carmen Stalder, Bieler Tagblatt. Der Verkehr hat schon etwas nachgelassen. Schade, finden die drei Vertreter der SVP, die sich an diesem Abend zum Wahlspaziergang an der Ländtestrasse eingefunden haben. Eigentlich hatten sie auf ein Porträt vor stehender Kolonne gehofft – um ihrem Unmut über die Situation für Autofahrerinnen und -fahrer in der Stadt noch mehr Gewicht zu verleihen. «Die Bieler Verkehrspolitik ist eine Katastrophe», sagt Sandra Schneider, die gemeinsam mit Patrick Widmer und Joël Zumstein zum Termin erschienen ist. Alle drei kandidieren nicht nur für den Stadt- sondern auch für den Gemeinderat.

Nun gerät der Verkehr rund um den Kreisel auf der Ländtestrasse doch noch ins Stocken. Damit ergeht es ihm wie dem Westast, wofür der ausgewählte Treffpunkt gemäss den drei Lokalpolitikern sinnbildlich stehen soll. An diesem Ort soll er die Stadt künftig als unterirdisch verlaufende Umfahrung vom Verkehr entlasten. Gebaut werden solle der Westast besser früher als später, da sind sich die drei SVPler einig. «Die derzeit diskutierten Varianten sind eine reine Verzögerungstaktik des Komitees ‹Westast – so nicht›», sagt Schneider. Zumstein bezeichnet es als widersprüchlich, dass viele Velofahrende gegen das Autobahnprojekt seien – schliesslich würde der Verkehr unter dem Boden verschwinden und damit mehr Raum für Velofahrer und Fussgängerinnen lassen.

Geht es um den Verkehr, sind die drei Stadträte in ihrem Element. Schneider fordert, dass Autofahrende in Biel nicht länger als «Sündenböcke» angesehen werden. Tempo-30-Zonen auf Hauptachsen seien «reine Schikane». Zumstein findet es stossend, wenn auf Strassen mit gut fliessendem Verkehr künstliche Einschränkungen angebracht werden – wie etwa die Ampelanlage auf der Madretschstrasse oder das kürzlich eingeführte Tempo-30-Regime auf der Reuchenettestrasse. «Es ist doch paradox, wenn das bestehende Netz nicht richtig genützt werden kann», sagt der Betriebsökonom. Er befürchtet, dass auf dem Bahnhofplatz bald ähnliches geschieht.

Lokale Wirtschaft unterstützen

Pünktlich zum Wahlkampf hat die Bieler SVP Mitte August die «Initiative zur Stärkung des Bieler Gewerbes» lanciert. Die Initiative fordert die Einführung eines Gratis-Parkings für die erste Stunde, damit lokale Geschäfte gegenüber den grossen Einkaufszentren wieder konkurrenzfähiger agieren können. Dies sei zum jetzigen Zeitpunkt besonders wichtig, da das Coronavirus markante Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft habe. Dass neben dem Gewerbe auch die Autofahrenden selbst von der Initiative profitieren würden, kommt der SVP wohl nicht ungelegen.

Die Partei setzt sich also an allen Fronten für den motorisierten Verkehr ein. Doch ist eine solche parteipolitische Agenda in Zeiten, in denen Begriffe wie Klimawandel, grüne Welle und Nachhaltigkeit omnipräsent sind, überhaupt zeitgemäss? Natürlich, sagt Zumstein. Die Fortschritte in der Industrie seien enorm, «die Autos werden immer nachhaltiger». Widmer betont zudem, dass er selbst gerne mit dem Fahrrad unterwegs sei. Entsprechend gehe es ihm nicht um einen Kampf gegen Velofahrende, sondern vielmehr um ein funktionierendes Miteinander. «Es braucht von allen mehr Rücksicht», so der Unternehmer.

Entlang der dichtbefahrenen Seevorstadt führt der Spaziergang Richtung Stadtzentrum. Zeit, um über die Wahlziele der Partei zu sprechen. Im Stadtrat wolle man den Status quo erhalten. Das heisst: Die elf bestehenden Sitze verteidigen. Neun Bisherige treten dabei erneut an, was diesem Vorhaben zugutekommen dürfte. Im Gemeinderat gehe es darum, den Sitz von Beat Feurer zu verteidigen. Einen zweiten Platz in der Regierung zu ergattern, sei dagegen rechnerisch gesehen kaum machbar. Die Pattsituation im Parlament ist den SVPlern ein Dorn im Auge. Entsprechend hoffen sie, dass die Position der Bürgerlichen durch die Wahlen gestärkt wird. «Der Unmut gegenüber der Regierung ist im Moment sehr gross. Das könnte uns helfen», prognostiziert Widmer.

«Bohren, laden, sprengen»

Nächste Station ist das Dufour-Schulhaus. Am 27. September entscheidet die Bieler Bevölkerung darüber, ob das marode Gebäude für 18,3 Millionen Franken saniert werden soll. Für die SVP-Vertreter ein klarer Fall: Das ist viel zu viel Geld. Widmer moniert insbesondere, dass durch die Sanierung kein neuer Schulraum für regulären Unterricht, sondern lediglich für ein schulergänzendes Angebot wie Tagesschule, Logopädie, Psychomotorik und Begabtenförderung geschaffen würde. Für die Zukunft des historischen Gebäudes sieht er eine radikale Lösung vor: «Bohren, laden, sprengen.»

Das Schulhaus steht für die drei symbolisch für die Ausgabenpolitik der Stadt, die sie gerne gemäss der Devise «weniger ist mehr» umkrempeln würden. Die städtischen Schulden würden in den nächsten Jahren die Milliardengrenze knacken, befürchten sie. Deshalb brauche es dringend eine Schuldenbremse und damit einen Stopp für alle unnötigen Ausgaben. Dazu gehöre nicht nur die «Vergoldung von Schulhäusern», sondern auch so manche Kunst- und Kultursubvention. So findet es Widmer beispielsweise nicht angebracht, bei dieser Schuldenlast ein Profiorchester zu finanzieren. «Das Wünschbare sollte vermehrt vom Machbaren getrennt werden», sagt er. Das sei auch gerade deshalb wichtig, weil die Steuereinnahmen der Stadt durch die Coronakrise noch stark sinken werden.

Schneider, Widmer und Zumstein sehen sich und ihre Parteikolleginnen und -kollegen als «Gegenstück zur classe politique». Biel habe in den letzten Jahren einen extremen Linksrutsch erfahren und diesen Trend gelte es zu stoppen. Der eigenen Partei rechnen sie dabei gute Chancen zu: Die SVP sei standhaft, vertrete eine Meinung und lasse sich nicht von Trends beeinflussen. «Wir bleiben bei unseren Aussagen», sagt Joël Zumstein, «das macht uns ehrlich und authentisch.»

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Die SVP/Eidgenossen-Liste

  • Sandra Schneider, 1991, bisher
  • Hugo Rindlisbacher, 1955, bisher
  • Patrick Widmer, 1968, bisher
  • Luca Francescutto, 1977, bisher
  • Olivier Wächter, 1974, bisher
  • Julien Rochat, 1984, bisher
  • Joël Zumstein, 1993, bisher
  • Veronika Schneider-Stepniewski, 1967, bisher
  • Erwin Zimmermann, 1947, bisher
  • Mersid Salihovic, 1982
  • Albina Beqaj, 1989
  • Urs Stettler, 1959
  • Stefan Maurer, 1979
  • Marcel Morandi, 1956
  • Judith Odermatt, 1978
  • François Bourquin, 1967
  • Daniel Odermatt, 1980
  • Xhafer Miftari, 1973
  • Esther Augsburger, 1974
  • Jürg Scherrer, 1947
  • Raymond Blum, 1970
  • Hansjörg Hügli, 1958
  • Lukas Müller, 1990
  • Almir Sabotic, 1985
  • Markus Badertscher, 1953
  • Rita Arnold, 1945
  • Ruedi Sigrist, 1952
  • Michel Wermuth, 1954
  • Rosmarie Béguelin, 1951
  • Eliane Schlup, 1949